Andreas Geilenbrügge, Head of Valuations and Insights bei Schwacke, über die aktuelle Angebotsverknappung und ihr Einfluss auf den deutschen Flottenmarkt.
Der Flottenmarkt in Deutschland steht nicht nur für 25-30% aller Neuzulassungen, sondern ist auch durch z.B. Leasingrückläufer eine wichtige Quelle für einen Großteil des Gebrauchtwagenmarktes. Insofern lohnt sich ein Blick darauf, was in diesem Vertriebskanal in der aktuellen Krisensituation passiert.
Die zwei derzeit bestimmenden und miteinander zusammenhängenden Entwicklungen – Angebotsverknappung und Restwertanstieg – haben insbesondere auf Flottenbetreiber und Leasinggesellschaften gravierende Auswirkungen. Nicht zuletzt die TCO (Total Cost of Ownership), deren größter Anteil sich mit über 40% aus dem Wertverlust generiert, ist betroffen.
Jeder, der regelmäßig mit größeren Stückzahlen an Remarketingfahrzeugen zu tun hat, steht momentan vor der immensen Herausforderung von Verfügbarkeit und Timing. Einerseits muss angesichts steigender Listenpreise und sinkender Nachlässe für bezahlbaren Ersatz gesorgt werden. Andererseits kann es lukrativ sein, Rückkehrer nicht gleich zu vermarkten, sondern die Aufwärtsentwicklung der Verkaufspreise noch einen Moment abzuwarten.
Die Frage, die sich zusätzlich bei verlängerter Nutzung stellt, ist, ob sich der zu erwartende Wertverlust aus höherem Alter und gegebenenfalls mehr Laufleistung im Vergleich zur Preisentwicklung positiv bilanziert und eine Verlängerung sich damit lohnt. Zugleich können kürzere Laufzeiten aktueller Neuzugänge zum einen den Verkaufszeitpunkt noch in die zu erwartende preisliche Hochphase 2022-2023 vorverlegen und zum anderen in diesen Zeiten knapper Angebotsmengen junger Gebrauchter, ausreichend Ware „erzeugen“, um angemessen Umsatz und Rendite zu erwirtschaften.
Alles natürlich unter der Voraussetzung, dass die Produktionsausfälle sich nicht weiter über Jahre so fortsetzen und der zukünftige Ersatz dann womöglich unsicher und mangels Nachlasses teuer wird. Bei Berücksichtigung aller Faktoren und Unwägbarkeiten keine leichte Aufgabe für die Verantwortlichen.
Zusätzlich erschwert wird die Arbeit von Fuhrparkbetreibern und –vermarktern dadurch, dass seit 2019 und explosionsartig seit der Prämienverdopplung 2020 BEVs und PHEVs in großen Mengen in die Flotten wandern. Innovationsprämie, reduzierte Dienstwagenversteuerung und niederschwelliges Risiko durch überschaubare Nutzungsdauer und meist unternehmensseitig übernommene Treibstoffkosten, machen es für Dienstwagenfahrer hochattraktiv zu BEVs und PHEVs zu wechseln.
Unsere Erwartung was deren Wiederverkaufspreise anbelangt, waren bis Anfang dieses Jahres pessimistisch aufgrund des erheblichen Volumens, das auf eine unterentwickelte Nachfrage zu treffen drohte. Aber die diesjährige Lieferkrise führt dazu, dass mittlerweile PHEVs und sogar BEVs als Substitution für Kaufinteressenten von neuen und gebrauchten Verbrennern genutzt werden und damit der Volumen- und Preisdruck entfällt.
Kurz gesagt, es wird ge- und verkauft, was gerade verfügbar ist und zunehmend zu ungeahnten Preisen. Wie lange dies so sein wird, hängt wiederum maßgeblich von Produktion und Lieferfähigkeit von Verbrennern ab. Außerdem bleibt abzuwarten, ob eine neue Bundesregierung es schafft, den langfristigen Betrieb und nicht nur die Anschaffung und Dienstwagennutzung von Elektrofahrzeugen attraktiv zu machen. „Der Weg ist das Ziel“ war noch nie so zutreffend wie angesichts der aktuellen Lage am Automobilmarkt.
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