Vollkommen unter Strom – Elektro in S, M und XL
Im August haben wir wieder Restwertprognosen für interessante Fahrzeugneuerscheinungen in unsere Datenbank aufgenommen:
- Honda e
- Mercedes-Benz EQV
- Volkswagen ID.3
Honda e – Retrolektrisch
Der Honda-Mischkonzern ist in Deutschland stärker durch Motorräder bekannt und mit 0,4% PKW-Marktanteil verhältnismäßig unauffällig. Relativ große Aufmerksamkeit erlangte dagegen auf den letzten beiden IAA ein „Urban EV Concept“ genanntes, etwas retro anmutendes Concept Car aus Tokio. Relativ nah an dieser Studie kommt nur ein Jahr später der Honda e auf den Markt. Zwar haben es die hinten angeschlagenen Türen und der von außen ablesbare Batterieladestand nicht in die Serie geschafft. Aber dennoch hat der – nun klassisch fünftürige – vollelektrische Kleinwagen ein paar interessante Features zu bieten. So ist das Cockpit über die gesamte Fahrzeugbreite mit Digitaldisplays belegt. Die beiden äußeren kleinen Bildschirme gehören dabei zu den digitalen Außenspiegeln, die bisher nur in höheren Segmenten zu finden waren. Die berührungsempfindlichen Türöffner ohne Griffe aus der Studie sind zumindest als versenkbare Griffe in Serie gegangen. Nicht unbedingt schön, aber praktisch ist zudem der unter einer Klappe in der Haube befindliche Ladeanschluss, der unabhängig von der Seite der Ladesäule den Stecker leicht zugänglich macht. Man darf halt nur nicht rückwärts ranfahren. Das größte Manko dürfte der Preis in Kombination mit recht knapper Reichweite und Kofferraum sein. Renault Zoe, Opel Corsa-e und Peugeot e208 starten da deutlich günstiger bei erheblich größerer Reichweite und mit mehr Platz für Gepäck. Mini electric und Mazda MX-30 liegen zwar preislich, reichweitentechnisch und stauraummäßig ähnlich, haben aber eine erheblich stärkere Markenwahrnehmung in Deutschland. Der knuffige Japaner wird es also schwer haben, aber Honda-Kunden sind loyal und setzen auf solide Qualität. Es gibt also einen kleinen Markt für diesen durchaus interessanten Beitrag zur Elektromobilität.
Mercedes-Benz EQV – Sternen-Raumkreuzer
Mit dem EQV beschreitet Mercedes weiterhin einen etwas anderen Weg als seine direkten Wettbewerber. Wo Audi und BMW bisher namentlich und technisch eigene Modellreihen kreieren, setzen die Stuttgarter auf bestehende Fahrzeugkonzepte und implantieren die notwendige Technik. Mit diesem Modell belegen Sie damit allerdings ein Segment, das wohl kaum jemand so richtig als prioritär und prädestiniert für die Vollelektrifizierung erachtet hätte. So ist der EQV aktuell – noch – kaum im Wettbewerb. Dabei kann er auf viele gute Gene der V-Klasse bauen. Massig Platz und Flexibilität, hochwertiges Interieur und Premium-Service sind Gründe, warum die Verbrenner-Kunden den Mehrpreis zu Multivan/Caravelle und Tourneo Custom neu wie gebraucht bereitwillig zahlen. Außerdem dürfen sich EQV-Kunden, anders als Ihre stromlosen Brüder sogar an MBUX erfreuen. Auch die Reichweite erscheint auf dem Papier mit über 300km akzeptabel. Aber es bleibt abzuwarten, wie es sich damit verhält, wenn das elektrische Raumwunder seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt wird: größere Mengen Personen und Gepäck zu transportieren. Dazu kommen die überschaubaren Fahrleistungen, die mangels Endgeschwindigkeit und Durchzug bei höheren Geschwindigkeiten eher etwas Geduld und Nervenstärke auf längeren Autobahntouren erfordern. Tugenden, die man den meist gut motorisierten V-Klassen eher weniger nachsagt. Mit einem üppigen Einstiegspreis von über 70.000€ und umfangreicher Aufpreisliste ist der EQV zwar nicht so teuer wie Tesla X und S und deutlich geräumiger, aber eben auch kein Schnäppchen. Gebraucht fehlen noch wirksame staatliche Anreize, sodass EQV-Käufer vor allem eines sein werden: Überzeugungstäter.
Volkswagen ID.3 – Schwere Geburt
Volkswagen hat sich einiges vorgenommen. Seit der Dieselkrise ist der Konzern und mit ihm die Kernmarke unter dem Druck, sich tiefgreifend zu verändern. Ein Element dieser Reorganisation ist neben dem Markenauftritt der Umbau zu einem digitalen Unternehmen und ein weiteres die vielbeschworene Elektromobilität. Der ID.3 steht exemplarisch für beides und bildet produktseitig den Startschuss für eine komplett neue Produktreihe, die Deutschland ein bezahlbares vollelektrisches Fahrzeug – also einen echten Volks-Wagen – bescheren soll. Bisher verlief der Start recht unrund. Zwar wurden in der Phase vor dem Start alle Marketing-Register gezogen, aber Probleme in Produktion und Lieferung, dazu die Corona-bedingten Ausfälle, hätten sich die Wolfsburger sicher nicht so gewünscht. Nichtsdestotrotz ist der ID.3 ein technisch gutes Auto geworden. Ordentlich Reichweite, viel Platz, ein hinterradantriebsbedingt städtetauglicher Wendekreis und solide Verarbeitung sprechen für ihn. Auch die digitalen Features wie beispielsweise das Head-up Display mit Augmented Reality-Funktionen sind Highlights für einen Volumenhersteller. Doch die teure Technik hat buchstäblich ihren Preis. Insbesondere bei der Materialauswahl im Innenraum ist gespart worden. Ein ähnliches Phänomen ist bei seinem Vetter Golf 8 zu beobachten, aber der Rotstift regierte beim ID gefühlt deutlich stärker. Der Einstiegspreis ist wiederum eine Kampfansage. Liegen in dem Preisbereich sonst die Elektro-Kleinwagen wie Zoe oder Corsa-e, kommt man unter Einbeziehung der Innovationsprämie ohne Ausstattung schon nahe an die 20.000 € Grenze heran. Für einen Kompakten Stromer aus Wolfsburg höchst ungewöhnlich und wohl Ausdruck der Entschlossenheit des Konzerns. Die Erwartungen sind hoch, extern wie intern. Am Ende sollte man aber nicht vergessen, dass selbst die Zulassungsprognosen von IHS für das Jahr 2025 der gesamten ID-Modellreihe zusammen genommen lediglich 25% am VW-Portfolio zutrauen. Wir sind also erst am zaghaften Beginn einer E-Transformation des Marktes.