Der Markt für leichte Nutzfahrzeuge wird in der Betrachtung der Automobilindustrie oft etwas stiefmütterlich behandelt. Ist er doch weniger volumenstark, preisgetrieben, ärmer an unterscheidbaren Modellreihen und nicht so glamourös wie die ungleich präsenteren Personenkraftwagen.
Es lohnt also eine gesonderte Pulsmessung. Zum einen funktioniert dieser Markt nach ganz eigenen Regeln und zum anderen haben die fast ausschließlich gewerblich genutzten Transporter selbstverständlich auch unter der noch immer anhaltenden Krise gelitten.
Klein und komplex – Spezielles Segment mit eigenem Momentum
Schaut man sich die Neuzulassungszahlen der leichten Nutzfahrzeuge an, so erscheint das Bild auf den ersten Blick vergleichbar mit den PKW. Minus 22% Gesamt im Vergleich zu -29% PKW ist nicht so weit auseinander. Aber im Detail fällt auf, dass im Gegensatz zu den am Jahresanfang noch erfolgreichen PKW die „Nutzis“ bereits Januar und Februar 2020 unter Vorjahr lagen und der Corona-Effekt von März bis Mai mit voller Wucht noch obendrauf kam. Auch der immense Neuwagen-Erfolg der Innovationsprämie ist bei den Transportern kaum vorhanden. Ohne die Ford Transit und Transit Custom Hybride wäre die Gesamtbilanz der (teil-)elektrischen Antriebe neu sogar leicht negativ. Hinzu kommt, dass bei den PKW der Überhang an taktischen Zulassungen aus Q3 2019 zwar während des Shutdowns den Handel arg belastete, aber nun hilft, aufgrund von Produktionsausfall und Neuwagenknappheit nicht bedienbaren Neuwagenbedarf mit jungen Gebrauchten zu decken. Solch einen starken Überhang gab es bei den Transportern nicht, da hier nicht noch schnell Produktion zugelassen werden musste, die sonst in 2020 zu CO2-Strafen hätte beitragen können. Die leichten Nutzfahrzeuge sind also im Bereich Neuzulassungen deutlich weniger stark durch die Krise gebeutelt worden, als die PKW.
Gebraucht gefragt – Die Krise schnell überwunden
Die Besitzumschreibungen geben aktuell ein noch besseres Bild ab und liegen bei den handelsrelevanten bis zu 6 Jahre alten Fahrzeugen mit fast 4% und über alle Alter mit 2,5% im Plus. Der aktuelle Jahrgang zieht dabei die Bilanz krisenbedingt mangels Nachschub aus Handelszulassungen sogar noch nach unten. Auch auf die Marken geschaut, liegen die meisten großvolumigen Marktteilnehmer im Plus (Abb. 1). Der ungewöhnlich positive Ausreißer Mitsubishi erklärt sich hierbei wohl aus einer Kombination aus Portfoliobesonderheit (fast ausschließlich Pickups) und Neuwagenmangel (Produktionsunterbrechungen in Thailand).
Ernst aber nicht hoffnungslos – Standzeitmanagement ist der Schlüssel
Wie man an der gezeigten Börsen-Bestandsentwicklung erkennen kann, kam es während des Shutdowns bei den leichten Nutzfahrzeugen zunächst erwartungsgemäß zu einem Ansammeln von Standtagen und im Anschluss zu einem ordentlichen Schub im Abfluss an Gebrauchten (Abb. 2). Mittlerweile haben sich die Bestände mengenmäßig wieder auf Vorkrisenniveau sortiert (Abb. 3), aber die durchschnittlich immer noch hohen Standzeiten deuten darauf hin, dass zwar „frische Ware“ schnell rein und rausläuft, aber dafür der Rest immer länger stehen bleibt.
Mit Blick auf das nahende Jahresendgeschäft bildet sich hier ein Preiskampfrisiko zulasten der Langsteher heran. Hinzu kommt, dass die bisher ca. 25.000 geringeren Neuverkäufe an Endkunden trotz der ca. 6.000 mehr Gebrauchten ein großes Umsatzloch in die Bücher der Nutzfahrzeughändler gerissen haben. Da zählt im Dezember dann – noch mehr als sonst – jeder gebrauchte Kastenwagen, der irgendwie bezahlt vom Hof rollt.